Löst das Wort “Schmerz” Schmerzen aus?

beautiful girl lying down of grass

Dass die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Schmerz hirnphysiologische Auswirkungen auf das Schmerzempfinden hat, ist in den schulmedizinischen Behandlungsstrategien (noch) kein Thema. Nun gibt es deutliche Hinweise, dass die Auseinandersetzung der Schmerzpatienten mit dem Schmerz diesen selbst verstärken oder eine Heilung sogar verhindern kann.

Mit modernen bildgebenden Verfahren konnten Forscher nachweisen, dass zwischen dem Schmerzempfinden selbst und Gedanken an Schmerz kein Unterschied besteht. Das heißt, egal, ob man z.B. eine Handlung beobachtet, die schmerzhaft ist, aber einen selbst gar nicht betrifft oder ob man selbst Schmerzen hat, im Gehirn werden die gleichen Regionen aktiv und es kommt zu den gleichen emotionalen Reaktionen. Für den Schmerzpsychologen DDDr. Karl Isak sind die neuesten Ergebnisse in der Schmerzforschung eine Bestätigung für seine eigenen Erkenntnisse aber keine Überraschung. “Gedanken lösen in der Regel immer die gleichen neuronalen Prozesse aus wie das Erleben selbst”, meint Isak und bringt die sexuelle Phantasie als für jeden nachvollziehbares Beispiel. “Egal, ob man an eine erotisierende Szene denkt und lediglich in der Phantasie sexuelle Vorstellungen hat oder ob man den sexuellen Akt real erlebt, für das Gehirn ist das völlig irrelevant. Es kommt mehr oder weniger zu den gleichen neuronalen Effekten und zu körperlichen Regungen.” Dieses einfach nachvollziehbare Prinzip wurde von den Hirnforschern auch beim Schmerz bewiesen. Für Psychologen und Psychotherapeuten war es schon immer klar, dass z.B. bestimmte Erinnerungen z.T. heftige körperliche Sensationen auslösen können.

Für den Schmerztherapeuten gibt es daraus klare Handlungskonsequenzen in seiner Arbeit mit seinen Klienten. Er vermeidet das Wort “Schmerz” und verzichtet auf Prozesse, welche die Semantik des Wortes anspricht. So ist Isak auch ein Gegner eines Schmerztagebuches, weil dieses die Gedanken an den Schmerz nur verstärkt und in der Folge die neuronale Prägung intensiviert. Das Schmerzgedächtnis wird mit jeder Beschäftigung mit dem Schmerz stärker ausgebildet. Isak hat diese Erkenntnis auch in seinem Buch “Schmerzen wegdenken” beschrieben und verweist auf Erfahrungen einer Ärztin, die nachdem sie das Buch gelesen hat, frischoperierte Patienten nach dem Aufwachen nicht mehr nach ihren Schmerzen fragt und ob sie ein Schmerzmedikament benötigen, sondern eine positive Formulierung wählt und meint, dass es den Patienten eh gut gehe. Früher verlangten alle Patienten nach einem Schmerzmedikament, jetzt plötzlich niemand mehr.

Chronische Schmerzen werden somit auch durch die kommunikative und diskursive Auseinandersetzung mit dem Schmerz bzw. mit dem Wort Schmerz verfestigt. Das Gehirn weiß, was das Wort Schmerz bedeutet und wie es emotional zu bewerten ist. Jedes Mal, wenn man nun an Schmerz denkt, werden die eigenen Vorerfahrungen – und diese sind bei Schmerzpatienten natürlich schmerzhaft – abgerufen und neuronal gefestigt. Das Schmerzgedächtnis funktioniert und der Schmerz prägt sich tiefer und tiefer in die neuronalen Strukturen des Patienten.

Isak plädiert für eine Überschreibung dieser schmerzbehafteten neuronalen Bahnungen mittels Mentalpsychologischer Interventionen, die über das Unbewusste wirken und die er auch in seinem Buch beschreibt.

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